E-Mail für dich
Wir kennen (und lieben) uns seit Jahren. Wir ticken ähnlich und doch wieder nicht. Jede von uns weiß, was die andere gerade umtreibt und oft begleiten uns unsere wechselseitigen Morgenmails durch den nächsten Tag. Alice Gabathuler ist so viel mehr für mich als nur eine liebe Kollegin. Und es war ihre Idee, Euch einen Blick in unsere Mails werfen zu lassen ...
Liebe Alice,
ich selbst bin mal wieder seit 5.00 wach, weil das Karussell in meinem Kopf mich nicht
mehr schlafen lässt. Aber ich bin wild entschlossen, aus diesem Tief wieder rauszukommen. Aktuell beschäftige ich mich ein bisschen
mit so Themen wie Zielsetzung, Ziele umsetzen etc., weil ich da oft sehr
unkoordiniert bin. Ich habe immer tausend Ideen, nochmal so viele Pläne und
komme trotzdem nicht recht vom Fleck. Mir wird auch allmählich klar, warum das
so ist.
Neulich habe ich irgendwo ein schönes Bild gelesen oder gehört, da hieß
es:
Wenn du damit kämpfst, eine lange Leiter hinaufzuklettern, um über eine
Wand in deinem Leben zu kommen, dann überprüfe erst einmal, ob die Leiter an der
richtigen Wand liegt. Das hat mir gefallen. Dieses Bild. Und da ist mir einiges
klar geworden. Mein Leben besteht aktuell aus ganz vielen Wänden. Und statt dass
ich erstmal eine Wand überwinde, schnappe ich meine Leiter und stelle sie
permanent wieder an eine andere Wand an. Ich kletter ein Stückchen hoch, dann
sehe ich “Oh, da muss ich ja auch noch rüber”, dann klettere ich zurück, nehme die
Leiter und lehne sie woanders an. Mit diesem Bild konnte ich irrsinnig viel
anfangen bei der Selbstreflexion.
Sprich, ich kämpfe mich aus meinem finanziellen Schlamassel, dann sehe ich
von der Leiter herab meinen völlig zugewachsenen Garten, kletter runter, mache
Gartenpläne, fange in irgendeiner Ecke an, gebe nach zwei Stunden völlig
entkräftet auf, klettere wieder runter und lehne meine Leiter an die Wand
Hausputz. Und so weiter. Und so weiter. So kann das nie was werden.
Und noch etwas habe ich gelernt. Dass ich mein Ziel viel konkreter benennen
muss.
Wenn mich jemand gefragt hat, was mein Ziel ist, habe ich oft Dinge gesagt
wie: Ich will Autorin sein. Oder: Ich will schreiben. Und da blieb ich dann
stecken. Auch dafür habe ich schöne Vergleiche gefunden, das ist so in etwa, wie
wenn ich sage: Ich will gesünder leben.
Tja. Wer will das nicht. Dann kann ich
mich wunderbar im Bett umdrehen und weiter schlafen und mir am nächsten Tag
wieder sagen: Ich will gesünder leben. Spätestens am dritten Tag sag ich dann:
eigentlich will ich aber .. und irgendwann gebe ich dann frustriert auf. Weil
das Ziel viel zu wenig konkret ist. Würde ich sagen, ab heute laufe ich jeden Tag
10.000 Schritte, oder, ab heute esse ich nur noch Zuckerfrei oder fünfmal am Tag Gemüse, dann wären das konkrete Ziele.
Oder wenn ich sage, ich will einen Achttausender besteigen, werde ich nie
auf einem ankommen. Ich muss mir den schon konkret aussuchen, mich informieren,
trainieren, einen Plan machen, mir Personal zusammenstellen, und irgendwann auch
losgehen.
Eigentlich sollte das alles völlig selbstverständlich sein oder? Mir ist
das erst in den letzten Tagen so richtig klar geworden und ich stehe noch ganz
am Anfang.
Jedenfalls weiß ich jetzt, dass ein “ich will Autorin sein” oder “ich will
schreiben” viel zu schwammig ist. Schreiben kann ich auch in der Badewanne und
die Texte danach im Klo runterspülen. Das ist es ja nicht, das ich will.
Ich habe es jetzt für mich so formuliert: Ich will – verdammt nochmal – von
meiner Arbeit als Autorin gut leben können.
Ist das konkret genug? Was meinst du? Ich überlege noch, ob ich das für
mich noch mehr konkretisieren sollte. Z.B. ich will als Autorin jeden Monat ....
xy Euro verdienen. Das wäre ein sehr konkretes Ziel und vermutlich noch
sinnvoller.
Und jetzt muss ich mich hinsetzen und mir überlegen, was ich für die
Besteigung dieses Achttausenders alles brauche. Und was ich auch oft vergesse –
irgendwann muss ich einfach auch mal losgehen. Sonst wird das nie
was, wenn ich immer nur unten stehe und hochgucke.
Soweit meine aktuellen Überlegungen.
Und dazu die Erkenntnis: Wenn ich
diesen Berg bezwinge, habe ich genug Zeit und vor allem Geld, mich um alles
andere zu kümmern. Dann kann ich mir nämlich auch Hilfe leisten oder Urlaub
oder bessere Geräte (siehe Garten, den ich aktuell in meinen manischen
Ich-muss-jetzt-den-Garten-Retten-Anfällen mit einer winzigen rostigen
Gartenschere bearbeite)
Trag Dir Sorge.
Deine Jutta
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