Weimarer Erklärung


Es war eine sehr spontane Entscheidung. Am Samstag bin ich für einen sehr kurzen Kurzurlaub aufgebrochen nach Weimar. Diese Stadt ist seit vielen Jahren schon fast so etwas wie mein zweites Zuhause geworden. Nur 2,5 Autostunden entfernt, mit dem Zug aber auch gut erreichbar, flüchte ich mich immer wieder hierher, wenn mir zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, selbiger nicht mehr frei ist und die Gedanken sich im Kreis drehen. Jetzt, nach diesem langen Corona-Winter, dessen Höhepunkt wir offenbar noch gar nicht erreicht haben, war es wieder einmal soweit. Ich brauchte eine Auszeit, wenigstens eine kurze.

Und kaum bin ich hier, in der Stadt der Klassik, aber auch des Bauhauses, der Musik und der Demokratie, geht es mir besser, spüre ich, wie bei langen Spaziergängen durch den Ilmpark oder die Altstadt meine Energie und auch meine Kreativität zurückkommen, weiß ich plötzlich wieder, wohin meine Figuren in meinem aktuellen Manuskript eigentlich wollen und komme innerlich zur Ruhe. Es war die richtige Entscheidung, ein paar Tage hierher zu flüchten. Trotz Corona und trotz der wenigen Touristen hier in der Stadt. Oder gerade deswegen :-)

Weimar hat aber nicht nur eine goldene Klassik- und eine bunte Bauhausgeschichte, sondern auch eine sehr braune Vergangenheit, mit der sich hier immer wieder auseinandergesetzt wird. Sei es durch Ausstellungen im Bauhaus-Museum, durch die Gedenkstätte Buchenwald oder durch Inszenierungen am Theater.

Beim Rundgang habe ich das Banner am Deutschen Nationaltheater gesehen. Und mich gefragt, was die Weimarer Erklärung wohl ist. Da ich aus der Vergangenheit weiß, dass das Nationaltheater sich immer politisch sehr engagiert zeigt, habe ich natürlich sofort gegoogelt. Und bin dabei auf folgendes gestoßen:

Für Rücksichtnahme, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie – gegen Verschwörungsmythen, Antisemitismus und gegen die Spaltung der Gesellschaft

Als Unterzeichnende der »Weimarer Erklärung für demokratische Bildungsarbeit« (2019) sehen wir mit großer Sorge, dass die Gedenkstätte Buchenwald in den vergangenen Wochen in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Hass in Form von Mails und Anrufen geworden ist. In diesen werden die Corona-Schutzmaßnahmen mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Wir zeigen uns solidarisch mit den Mitarbeitenden der Gedenkstätte und wehren uns gegen eine Instrumentalisierung der Pandemie durch Geschichtsrevisionisten und Demokratiefeinde.

Mehr dazu findet ihr unter https://www.weimarer-erklaerung.de 

Mich hat das ehrlich erschüttert. Fast jedes Mal, wenn ich in Weimar bin, statte ich auch der Gedenkstätte Buchenwald einen kurzen Besuch ab. Und gerade erst habe ich - hier in Weimar - das neue Buch von Kirsten Boie "Heul doch nicht, du lebst ja noch" zu den Folgen des Nationalsozialismus und den Greuel dieser Zeit gelesen. Mehr dazu findet ihr auf meinem Instagram-Kanal.

Wie kann man Corona-Schutzmaßnahmen mit dieser furchtbaren Zeit vergleichen? Natürlich habe ich die Weimarer Erklärung sofort unterschrieben und hoffe, dass das noch sehr viele tun werden.  

Ich bin froh und dankbar, dass sich Menschen diesen "Spaziergängern" entgegenstellen. Hier und an allen anderen Orten. Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut.  Und Kritik an staatlichen Maßnahmen muss immer möglich sein. Aber die Coronamaßnahmen mit dem Holocaust gleichzusetzen bedeutet, dessen Opfer zu verhöhnen. Und das darf niemals geschehen.

Blick von der ehemaligen Kinderbaracke auf das Krematorium Buchenwald



 

 

Kommentare

  1. Ich habe das von dir erwähne und besuchte Lager unzählige Male besucht. Mancher, dem ich davor berichtet fragte mich, was es denn dort zu sehen gäbe, dass man sich immer wieder anschauen wollte?
    Meist bin ich der Frage ausgewichen. Nicht, weil sie zu beantworten mir unangenehm gewesen wäre. Nein, ich habe es mir verkniffen weil ich glaubte, dass jemand, der so eine Frage stellt, es sowieso nicht verstanden hätte. Kürzlich wurde ich aufmerksam auf ein Zitat Jean Amérys, dass es erklärt: "Ohne das Gefühl der Zugehörigkeit zu den Bedrohten wäre ich ein sich selbst aufgebender Flüchtling vor der Wirklichkeit" Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

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