Projekt Lautschriften

 


Dass wir Autor:innen öfter zu Lesungen unterwegs sind, ist bekannt. Nicht so bekannt ist, dass viele von uns auch regelmäßige Schreibworkshops geben. Worum geht es in diesen Workshops?

Ich fange mal mit dem an, worum es (zumindest mir) nicht geht. Es geht mir nicht darum, in irgendeiner Weise den schulischen Deutschunterricht zu kopieren. Es geht nicht darum, Rechtschreibung und Grammatik zu vertiefen. Es geht um Kreativität.
Wenn ich in eine Schulklasse komme, um mit ihr einen ganzen Vormittag zu schreiben, ernte ich oft lautes Stöhnen. Nur wenige Kinder können sich das vorstellen. In jeder Klasse gibt es natürlich auch ein paar angehende Schriftstellerinnen oder Schriftsteller, für den Rest ist das Schreiben von Geschichten eher ein lästiges Übel, für manche eine Qual. Ich verstehe das so gut. Ich zum Beispiel wäre nahtlos zusammengebrochen, hätte man mir angekündigt, heute den ganzen Tag Mathematik zu haben. Erst als Erwachsene wurde mir klar, dass der Umgang mit Zahlen durchaus spannender hätte sein können, als ich es vom Schulunterricht her kannte. Deshalb bitte ich meine "Opfer" immer, mir einen Vormittag Zeit zu geben und dann am Ende nochmal mit mir darüber zu sprechen, wie sie das Schreiben denn nun so gefunden haben. 

Denn meistens hatten Kinder in der Mittelstufe noch nie Kontakt mit einem kreativen Umgang mit ihrer Sprache. Von Anfang an geht es um Rechtschreibung, um Grammatik, um Begrifflichkeiten. Während wir alle als Kleinkinder mit Farben manschen, panschen, schmieren und ausprobieren dürfen, während wir mit Löffeln, Töpfen, Deckeln, Kartons und vielem mehr Musik machen dürfen, lernen wir das Schreiben sehr mechanisch. Mit meinen fünf eigenen Kindern habe ich im Lauf der Jahre fünf verschiedene Methoden des Schreibenlernens kennengelernt. Was zeigt, dass auch die Pädagogik immer noch auf der Suche nach dem besten Weg ist. Aber keines meiner Kinder hat in der Schule je probieren dürfen, wie man mit Worten malen kann. Wie man neue Wörter erfinden kann und wie diese dann klingen, wie man mit Worten Stimmungen erzeugen kann, wie man damit herumblödeln, sich kringelig lachen aber auch andere zum Weinen bringen kann.
Und ich liebe es, all das in Schulklassen hineinzutragen.

Wenn ich dann die Frage stelle, aus was eigentlich eine gute, eine spannende Geschichte besteht, bekomme ich regelmäßig zur Antwort: Einleitung - Hauptteil - Schluss.

Wir brauchen dann in der Regel sehr lange, um all die anderen "Zutaten" einer spannenden Geschichte herauszukitzeln. Lange deshalb, weil die Kinder schon so darauf fixiert sind, das zu antworten, was in den Lehrbüchern steht. Eine weitere beliebte Antwort auf die Frage nach den Zutaten für eine spannende Geschichte: Viele Adjektive.

Mal ganz davon abgesehen, dass hier die Meinungen von Deutschlehrer:innen und Autor:innen weit auseinandergehen, landen wir dann doch irgendwann bei den Figuren und ihrer Geschichte. Und spätestens dann wird den meisten Workshopteilnehmer:innen klar, dass Bücher durchaus Spaß machen könnten. 

Und das ist für mich der eigentliche Sinn meiner Schreibworkshops. Natürlich gibt es Begabtenförderung für angehende Autorinnen und Autoren und natürlich ist auch die ungeheuer wichtig. Aber meine eigenen Schreibkurse sehe ich nicht als solche. Mein Ziel ist es, Kinder (und auch Jugendliche oder Erwachsene), die bisher so gar nichts mit Geschichten, mit Büchern oder gar mit dem Schreiben eigener Texte anfangen konnten, neugierg zu machen auf das Medium Buch, ihnen Lust zu machen auf den Umgang mit ihrer Sprache, mit Geschichten, ihnen zu zeigen, dass vielleicht nicht aus jedem von ihnen eine neue J.K. Rowling wird, aber dass Schreiben Spaß machen kann. Und Lesen erst recht. Es wird ja auch nicht aus jedem Fingerfarbenkünstler gleich ein Van Gogh. Trotzdem zeichnen und malen unzählige Menschen in ihrer Freizeit. 

Wenn es nach mir ginge, würden noch viel viel mehr Kindern Schreibworkshops ermöglicht. Für die Leseförderung sind sie m.E. so viel wichtiger als alles andere. Denn sie eröffnen den Kindern Einblicke in die Literatur, die sie sonst oft nicht bekommen. Wer einmal in einem Chor gesungen hat, weiß, was ich meine. Wer einmal in einem Chor gesungen hat oder versucht hat, ein Instrument zu lernen, wird Musik künftig anders hören. Und so ähnlich ist es mit dem Schreiben. 

Deshalb bin ich sehr sehr dankbar, dass ich wieder Teil des wunderbaren Projekts "Lautschriften" sein darf. Lautschriften ist ein Schreibworkshop-Projekt für Kinder und Jugendliche der 6. bis 9. Klasse, das vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird. Im Rahmen dieses Projekts bin ich in diesem Schulhalbjahr in Homberg/Efze an der Bundespräsident-Theodor-Heuss-Schule unterwegs. Unsere ersten Einheiten haben wir bereits "erschrieben" und 25 Kinder der 6. Klasse bestätigten mir hinterher, dass Schreiben trotz aller Befürchtungen durchaus Spaß machen kann. Ich bin mit einem dicken Stapel erster Texte nach Hause gefahren und freue mich jetzt schon riesig auf die weitere Zusammenarbeit. 

Wer mehr zu meinen Schreibworkshops wissen möchte, kann sie auf meiner Website finden. Wer regelmäßig über neue Kurse informiert werden möchte, abonniert am besten meinen Newsletter ;-)

 



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