Weg damit - eine private Minimalismus-Challenge
Ich miste aus. Entrümpele mein Haus und damit im wahnsten Sinne des Wortes auch mein Leben. Angefangen hat alles mit meinen Eltern. Meistens fängt alles mit den Eltern an, oder?
Meine Eltern leben in einem wunderschönen, aber heute viel zu großen Haus voller Erinnerungen, voller Bücher, voller Erbstücke, voller Dinge, die sie größtenteils heute gar nicht mehr benutzen oder brauchen. Und täglich fällt ihnen das Versorgen und Verwahren all dieser Dinge schwerer. Und täglich wird aber auch die Angst größer, was wohl aus all diesen Schätzen wird, wenn sie einmal nicht mehr auf dieser Erde weilen. Aber loslassen wollen sie trotzdem nicht.
Mir hat das Beobachten dieser Situation die Augen geöffnet. Ich lebe auch in einem großen Haus. Einem Haus, das voll ist bis unters Dach. Kein Wunder: Wir waren einmal eine Großfamilie mit 5 Kindern. Hinter mir liegen gescheiterte Beziehungen, jeder Partner hat seine Spuren hier im Haus hinterlassen. Die Kinder wurden älter, gingen eigene Wege, die Partner auch, nahmen mit, was ihnen gefiel, der Rest steht in Kisten und Taschen verpackt ebenfalls noch im Haus.
Daneben Kisten, die ich irgendwann gepackt habe mit Hausrat, den die Kinder ja vielleicht noch gebrauchen könnten. Angeschlagene Tassen, verwaiste Teller, könnte doch alles noch in eine Studentenbude ziehen. Dachte ich. Tat es nur nie.
Bettwäsche, die nicht mehr zusammenpasst - das macht jungen Leuten doch sicher nichts aus. Dachte ich. Und hortete weiter. Jemand wollte eine Kiste Bücher wegwerfen? Her damit. Ich liebe Bücher. Und zeitweise war es mir völlig egal, ob ich die je selbst lesen würde. Volle Bücherregale, sehen einfach toll aus.
Zur Zeit wohnt hier nur noch ein Kind. Na gut, eineinhalb. Der Ältere schlägt noch gelegentlich hier auf, der Jüngere macht nächstes Jahr sein Abi. Geblieben sind leere Räume, volle Regale und Kisten. Und jetzt hat es mich gepackt. Ich will mich frei machen von all dem Zeug. Ich empfinde die vollen Räume, Schränke und Regale zunehmend als Ballast. Es ist alles zu viel. Viel zu viel.
Eines schönen verregneten Sonntagvormittags habe ich mich hingesetzt und mir einen Stapel Notizzettel genommen. Bin in Gedanken durch das Haus gegangen und habe für jede Schublade, jedes Schrankfach, jedes Regalbrett im Haus einen Zettel geschrieben. Darauf stehen jetzt also solche Dinge wie: Küche, linker Schrank, obere Schublade. Dann habe ich alle Zettel gefaltet (es waren viele, sehr viele) und in ein Einmachglas geworfen. Und seither ziehe ich jeden Morgen als allererstes einen Zettel und entrümpele im Lauf des Tages den Ort, den der Zettel mir vorgibt. Und was ich nie gedacht hätte: Es macht mir wahnsinnigen Spaß.
Ich bin keine Minimalistin. Werde es nie sein. Ich werde nie in einer ausschließlich beigen Wohnung mit maximal einer Topfpflanze und einem farblich passenden Buch im Regal leben. Ich bin Jägerin und Sammlerin. Ich werde auch nie eine Marie Kondo sein. Aber ich betrachte jedes Schrankfach, jede Schublade jetzt täglich mit der Frage: brauche ich das in meinem Leben und falls nein, möchte ich es trotzdem gerne noch in meinem Leben haben? Und ich bin völlig überrumpelt davon, wie oft meine Antwort auf beide Fragen "Nein" lautet. Zugegeben: das Haus ist immer noch voll bis unters Dach. Aber mit jedem Sack Müll, mit jeder "zu verschenken Kiste", mit jeder Tasche für den Secondhandladen fühlt sich mein Leben leichter an. Inzwischen bin ich mir sogar sehr sicher, dass ich mir auch räumlich verkleinern will. Aber ein Schritt nach dem anderen. Erst einmal fülle ich weiter Bücherschränke, verkaufe auf Flohmärkten oder bei Kleinanzeigen und verschaffe mir Platz und Luft zum Atmen. Und das fasznierende: mit jedem Teil, das ich aus dem Haus trage, kommt meine Kreatvität wieder ein Stück mehr zurück. Weniger ist eben doch oft mehr. Ich bin sehr gespannt darauf, wohin dieser Weg mich noch führen wird.
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