Was ist mein Lieblingsplatz, um kreativ zu werden?


 

In meinem letzten Blogpost hatte ich euch ja davon erzählt, dass ich auf eine Sammlung von Blogparaden gestoßen bin. Wenn ihr noch einmal nachlesen wollt, was genau Blogparaden sind und wie das ganze funktoniert, dann schaut am besten hier nochmal vorbei.

Ich hatte mir damals ein paar der Blogparaden notiert, die mir sofort ins Auge gesprungen sind, einfach, weil ich die Themen spannend fand, weil sie mich berührt haben oder ich das Gefühl hatte, sie sind wie für mich gemacht. Und lachen musste ich tatsächlich, als ich den Blog von Anja Hüttebräucker entdeckte mit der Frage: "Was ist dein Liebingsplatz, um kreativ zu werden?"

Ich meine, bei mir ist es irgendwie ganz offensichtlich. Mein Lieblingsort ist der Küchentisch. Ich blogge "Neues vom Küchentisch", ich schreibe unter meine Mails stets "Liebe Grüße vom Küchentisch", ich schreibe tatsächlich auch meine Bücher am Küchentisch. Aber warum der Küchentisch? Warum nicht eine schöne Ecke in meinem etwas verwilderten Garten? Warum nicht ein Plätzchen in meinem durchaus vorhandenen Arbeitszimmer? 

Wenn ich gefragt werde, wo ich gerne schreibe, kreativ schreibe, dann antworte ich oft: am liebsten in Cafés oder im ICE. Beides stimmt auch. Und stimmt auch wieder nicht. Ich fange mal vorne an, die Geschichte mit dem Küchentisch aufzudröseln.

Als ich eines Tages den Entschluss fasste, fortan Bücher schreiben zu wollen, war ich gerade zum fünften Mal Mutter geworden. Das jüngste Kind ein Säugling, danach alles vom noch sehr kleinen Kleinkind bis zu einer Tochter in der Pubertät. Kurz: es war ziemlich viel los in unserem Haus. Und weil wir eine recht große Familie waren, hatten wir schon damals auch einen recht großen Küchentisch. Ein Arbeitszimmer hatte ich zu dieser Zeit noch nicht, mein Schreibtisch stand im Wohnzimmer. Dort stand aber auch der Fernseher, der - ich gebe das ein wenig verschämt zu - auch manchmal als Babysitter herhalten musste. Zumindest für die älteren Kinder. Am Küchentisch aber war immer Platz. Ich konnte da auf der einen Seite mein Schreibzeug auspacken und am anderen Ende Kinder beim Hausaufgaben machen oder Malen und Basteln beaufsichtigen. Die Küche war von Anfang an im Zentrum unseres Familienlebens und irgendwie saß ich gerne im Zentrum, alles wuselte um mich herum, ich hatte alles mehr oder weniger im Blick und eher weniger im Griff und konnte trotzdem nebenbei meine Texte vorantreiben. Das funktionierte überraschend gut. Wenn ich im Text nicht weiterkam,  stand ich auf und füllte die Spülmaschine, kochte Essen oder spielte ein paar Runden mit den Kindern am Küchentisch. 

Die Kreativen unter euch wissen, dass man auch beim Geschirrabwaschen weiter an seiner Geschichte arbeiten kann. Aufgeschrieben habe ich das dann oft erst, wenn zumindest die kleineren Kinder im Bett lagen. Später wurde ich dann eher ungewollt zur Alleinerziehenden und der Küchentisch als Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens zu sechst wurde noch wichtiger. Immer häufiger kamen auch Schulfreunde mit nach Hause, oft waren wir beim Essen nicht sechs, sondern eher zehn Personen und immer musste ich nur neben mich greifen, um mein Notebook, meine angefangenen Texte wieder vor mir zu haben. 
Irgendwann zog das erste Kind aus und ich konnte mir den Luxus eines eigenen Arbeitszimmers, das gleichzeitig auch als Gästezimmer herhalten musste, gönnen. Ich weiß noch, wie euphorisch ich damals alles eingerichtet, meinen Schreibtisch aus dem Wohnzimmer nach oben verfrachtet habe, nur um dann an diesem Schreibtisch die Wand anzustarren und nicht einen einzigen Satz zustande zu bringen.

Also schnappte ich wieder mein Notizbuch oder mein Notebook und wanderte zurück an den Küchentisch. Das Arbeitszimmer diente fortan noch dem Drucker, meiner Steuererklärung oder dem Stapeln meiner unbezahlten Rechnungen und den Ordnern mit meinen Verträgen als Aufbewahrungsort. Geschrieben habe ich wieder in der Küche.
Kolleg:innen erzählten mir dann von ihren Arbeitsplätzen in Büros, die sie bewusst weitab von zuhause angemietet haben. Andere, die kein Geld für eine zusätzliche Miete hatten oder ausgeben wollten, berichteten von Arbeitsplätzen in öffentlichen Bibliotheken. Das klang gut. "Ich brauche den Kopf frei zum Schreiben", sagte der eine. "Ich muss weg von Kindern und Hausarbeit", sagte die andere. Kurz entstand auch bei mir das Gefühl, ich müsste mir doch einen richtigen, einen ruhigen Arbeitsplatz suchen. Ich würde viel kreativer sein können, wenn ich Hausarbeit, Kindererziehung und "arbeiten" zukünftig trenne. Ich hätte dann das Gefühl, "zu meinem Job zu gehen" und könnte endlich einige Stunden am Stück konzentriert arbeiten ohne Unterbrechung von streitenden Kindern, angebranntem Essen oder dem Postboten an der Tür. Ich packte also mein Notebook ein und suchte mir eine stille Ecke in unserer wirklich wunderbaren Bibliothek im Kulturforum Hanau. Und starrte die Wand an. Schaute aus dem Fenster. Schlich zwischen Bücherregalen herum. Suchte meine Kreativität. Die sich dann am Abend pünktlich am vollen, lauten Küchentisch wieder einstellte. 

Inzwischen sind die Kinder älter geworden, das Haus leert sich nach und nach. Am Küchentisch sitze ich immer öfter alleine, aber - ich sitze am Küchentisch. Und wenn dann einer von den beiden noch im Haus lebenden Jungs in der Küche vorbeikommt, ist es wie früher. Und wenn die anderen nach Hause kommen, treffen wir uns in der Küche. Manchmal lausche ich dem Trubel der Vergangenheit mit ein bisschen Wehmut hinterher. Und ganz manchmal schreibe ich deshalb auch gerne in Cafés oder im ICE. Denn dort stimmt der Lautstärkepegel in etwa mit dem überein, was ich aus den letzetn Jahren im Haus kenne. Und an den ich mich offenbar gewöhnt habe, den ich brauche für meine Kreativität.

Noch etwas ist mir aufgefallen: Wenn ich für einen Urlaub eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus suche, dann ist das wichtigste Möbelstück in dieser Unterkunft: der Küchentisch. Niemals würde ich Urlaub in Räumlichkeiten machen, die zwar eine gemütliche Sofaecke oder eine große Badewanne haben, aber keinen Küchentisch. Der Küchentisch ist mein Zentrum, innen und außen. Hier schreibe ich meine Morgenseiten, führe meine diversen Journals, meinen Budgetplaner, meinen Projektplaner, mein Bulletjournal. Hier schreibe ich vor allem meine Bücher und - hier habe ich diesen Blogbeitrag geschrieben!






Kommentare

  1. Wie genial ist das denn? 😍 Ich stelle mir gerade einen wunderschönen großen Küchentisch aus massivem hellem Holz vor. Und um ihn herum viele lachende, essende und entspannte Menschen. Ein Traum. 😍

    Und es erinnert mich an meine Kindheit auf dem Bauernhof, wo gerade im Sommer während der Erntezeit auch bei uns bis zu zehn Mann am Tisch saßen.

    Und ja, ich kann gut verstehen, dass die Kreativität sich zurück zieht, wenn die gewohnte Umgebung oder der gewohnte und geliebte Geräuschpegel fehlt.

    Liebe Jutta, ich danke Dir von Herzen für diesen wunderschönen Einblick und auch ein wenig Rückblick. Es war ein Genuss zu lesen!

    Liebe Grüße
    Anja

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    1. Liebe Anja, leider ist meine Handykamera aktuell defekt, sonst hätte ich den Tisch für dich fotografiert. Er ist nicht hell, vielleicht war er das einmal, inzwischen ist das Holz sehr nachgedunkelt, er hat so viele Risse und Flecken inzwischen, er sieht aus, wie nach einem sehr langen, sehr gelebten Leben. Und genauso liebe ich ihn :-)
      Ich freue mich, dass dir mein Blogbeitrag gefallen hat und wünsche dir weiter eine kreative Zeit.
      Liebe Grüße vom Küchentisch
      Jutta

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  2. Hallo Jutta,

    über Anjas Blogparade bin ich auf deinem Artikel gelandet - und direkt eingetaucht. Ich kann die Kinder lachen (und auch mal streiten) hören. In Momenten der Stille höre ich Stifte übers Papier kratzen. Den Postboten, der an der Tür rumrumpelt und das Essen, das auf dem Herd blubbert. Ich sehe dich kurz innehalten, an dem leeren Tisch, und das Kinderlachen im Kopf heraufbeschwören. Und wie du dich wieder runterbeugst, um weiterzuschreiben. Danke, dass ich kurz mit dir an deinem Küchentisch sitzen durfte. Bleib unbedingt kreativ!

    Viele Grüße unbekannterweise von Franziska

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    1. Liebe Franziska, danke für deinen lieben Kommentar. Ich kann dir versprechen, solange ich an diesem Küchentisch sitzen kann, so lange werde ich kreativ bleiben :-) Und auch mit den großen Kindern brauche ich ja immer auch einen großen Tisch, wenn sie zu Besuch kommen, also stehen die Chancen gut.
      Alles Liebe vom Küchentisch
      Jutta

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